I nehm die numma Drei – 3 Bilder, 3 Geschichten (I)

Es passiert immer irgendwie etwas!

Eigentlich sollen Bilder Geschichten erzählen. Immer gelingt (mir) das nicht, aber es gibt oftmals Geschichten hinter dem Bild! Fernab von den einzelnen Tourberichten, möchte ich Euch in dieser Artikelreihe die Geschichte hinter dem Bild erzählen.
 

Bild 1: Die sündigen Beine zur Mittagszeit

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Mittagszeit. Das bedeutet für mich, eine Stunde Zeit um auf Motivjagd zu gehen. Zumeist 5 Tage die Woche. Woche für Woche. Ich kann es verstehen, wenn Leute mich fragen, ob das nicht langweilig wird. Natürlich drücke ich nicht immer auf den Auslöser, aber die Gewissheit darüber, dass die Kamera in Sekundenbruchteilen am Anschlag ist, reicht mir oftmals schon aus. Das Bild ist auf meiner täglichen Mittagsrunde in Memmingen entstanden. Ich laufe jeden Mittag, zumeist der alten Stadtmauer entlang, in die Innenstadt zum essen. Besonders diese Stelle des Weges finde ich immer wieder schön. Irgendwann lief ich mit dönersaucenverschmiertem Mund zurück zur Arbeit, als mir die junge Dame auf der Bank auffiel. Natürlich fiel sie mir auf, schließlich teile ich “Quentins” Fetische…  zumindest einen Teil davon *lach*.
Als ich mich nochmals umdrehte sprang mich exakt dieses Motiv an, was ich als sehr spannend empfand. Was stellte ich mir für Fragen: Was macht die Dame dort? Wartet Sie auf jemanden? Wieso so aufreizend? Diese Fragen in Kombination mit der Umgebung verführten mich, auf charmante Art und Weise, zu dieser Aufnahme. Ich setzte mich ein paar Meter daneben auf die Bank, legte den Döner beiseite, holte die Kamera heraus und begann zu knipsen. Der voyeurisitsche Touch des Bildes, zurückzuführen auf das Mauerstück im Vordergrund, gefiel mir dabei extrem gut. Der Betrachter des Bildes, fühlt sich somit selbst als heimlicher Beobachter. Nach dem 10. Bild kam jedoch Ihr Kopf hervor, weil sie den Verschluss der Kamera bemerkte. Sie sah mich kurz an, packte ihr Smartphone in die Tasche, stand auf und ging.
Das Lustige an dieser Situation: Ein paar Wochen später, sollte die Dame an anderer Stelle erneut auftauchen und sie sollte mich direkt erkennen. Wieder trug ich den Fotorucksack auf meinem Rücken und wieder wäre ihre äußere Darbietung und ihr Erscheinungsbild nicht zu verachten gewesen. Problem: Erstens, damals an der Stadtmauer passte das Motiv, weil es mir primär nicht um die Dame selbst ging, sondern um die soeben erklärte Intension dahinter. Zweitens, sie erkannte mich – wie bereits erwähnt – wieder *lach*. Sie zwitscherte ihrer Begleiterin etwas ins Ohr, welche mit dem Rücken zu mir stand. Diese drehte sich daraufhin um und sah mich gezielt an. Danach zogen Beide – wohl aus Angst, auf dem Sensor zu landen – von Dannen. “Da! Das ist der Spanner!” hieß es bestimmt *lach*.
 

Bild 2: Die Drei Hirsche

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Dieses Bild ist sinnbildlich für den Satz “Zur rechten Zeit am rechten Ort”. Ich wollte nur den Sonnenaufgang unterhalb der Krinnenspitze in den Allgäuer Alpen mitnehmen, als sich mir diese Möglichkeit bot. Nichtsachtend stand ich mit meinem Stativ am Spot und knipste ein schönes Sonnenaufgangspanorama nach dem Anderen. Nur aus Zufall sah ich in gut 2-3 KM Entfernung auf der anderen Seite eine Horde wilder Hirsche durchziehen. Es waren sicherlich 10-12 Stück! Das Problem: Mein Ultraweitwinkel-Objektiv (UWW) klebte noch am Bajonett meiner Kamera und bei 9mm Brennweite auf 3KM Entfernung bleibt nicht mehr viel davon über. Mein Rucksack mit dem Teleobjektiv war mittlerweile knapp 100m von meinem Standort entfernt.
In Rekordverdächtiger Zeit legte ich die 100m bis zum Rucksack zurück. Ein gewisser Herr Bolt hätte sich wohl warm anziehen müssen. Ich schnallte schnell mein damaliges Teleobjektiv (75-300mm) auf die Kamera und hielt in Richtung der Hirsche drauf. Freihand, da nun das Stativ wiederum 100m entfernt stand… *doh*. Die Kamera war aufgrund der Sonnenaufgangsbilder noch komplett im M-Modus unterwegs, was auch für die Fokussierung galt. Und obwohl ich schneller als der Blitz an diesem Morgen gewesen war, überschritten der Großteil der Hirsche sond den Grat auf die andere Bergseite. Die letzten drei Nachzügler waren schon auf dem Weg zu verschwinden, als ich – unterbewusst – einen gewaltigen Urschrei los ließ. Die Legende besagt, an jener Stelle soll selbst Heute noch das Echo zu hören sein. Einer der Dreien schien es auf jedenfall beeindruckt zu haben, denn er drehte sich in meine Richtung. Ich hatte gefühlt eine Sekunde Zeit um den Auschnitt zu wählen,  Blende und Belichtungszeit einzustellen, manuell zu fokussieren und abzudrücken. Die Telebrennweite war zuvor von mir schon auf den 300mm-Anschlag positioniert worden. Was dabei nun herausgekommen ist? Ein Bild, das sicherlich nicht perfekt scharf geworden ist, viel zu hektisch war diese Situation in dem Moment. Ein Bild, das sicherlich 100 andere Fotografen hätten besser schießen können. Warum es für mich trotzdem zu den – für mich – besten Bildern gehört, die ich je geschossen hab? Weil für mich eine Geschichte hinter dem Bild steckt. Weil es einen gelebten Moment wiederspiegelt, mit dem ich viel Verbinde. Das ist mir mehr wert, als die völlige Perfektion. Hätte ich selbst nicht so schnell reagiert, wäre das Bild sowieso nie zustande gekommen. Da sag ich mir, lieber ein Bild das nicht perfekt ist, als überhaupt kein Bild.
 

Bild 3: Die Faszination und die eigene Geduld

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Dieses Bild hat für mich zweierlei wichtige Bedeutungen. Zunächst einmal das faszinierende Naturschauspiel der Polarlichter. Es gibt Momente im Leben, bei denen man zunächst einmal nicht unbedingt den Auslöser der Kamera drücken möchte oder kann. In den Film “Walter Mitty” gibt es eine Szene, die diese Situation sehr schön beschreibt. Der Fotograf Sean O’Conell – gespielt von Sean Penn – sitzt in den Bergen Afghanistans und wartet auf den Moment, eine seltene Schneekatze vor seine Nikonlinse zu bekommen. (Anm.d.Red.: Liebes Hollywood, wenn Ihr schon Island als Afgahnistan verkaufen wollt, zeigt nicht unbedingt den Skógarfoss *lach*). Als die Schneekatze sich endlich blicken lässt, drückt O’Conell nicht auf den Auslöser. Mitty – gespielt von Ben Stiller – frägt Ihn daraufhin, wann er denn endlich den Auslöser betätige? Sean antwortete daraufhin mit den Worten:

“Manchmal gar nicht. Wenn mir ein Moment gefällt, ich meine, mir … persönlich, dann will ich nicht, dass mich die Kamera irgendwie ablenkt. Dann will ich einfach nur … darin verweilen.”

Als ich diesen Satz hörte, schoss mir sofort ein bestimmter Moment während meines Lofotenaufenthaltes in den Kopf. Der Moment, an dem ich zum ersten mal, live und in Farbe eine Aurora zu Gesicht bekam. Nein, ich werde jetzt nicht sentimental, aber dieser Augenblick hatte auf mich eine solch faszinierende Wirkung, dass ich nicht den Auslöser der Kamera betätigen konnte oder gar wollte.
Nun aber direkt zu dem Bild oben. Die Geschichte ist unspektakulär, aber erzählt sie doch von der Geduld, die wir manchmal nicht haben. Es war schon spät Nachts, die Auroras flachten bereits ab, als wir nochmals den Eggum Lighttower anfuhren. Einen nördlich gelegenen Strandabschnitt, den wir Tage zuvor bereits besucht hatten. Meine beiden Begleiter machten sich auf den Weg zum Strand und Leuchtturm hinuter. Das Boot war mir bei unserem ersten Besuch schon aufgefallen und diesmal wollte ich es unbedingt ablichten. Ich blieb also am Boot stehen, baute mein Stativ dort auf, wählte eine Komposition und verweilte. Es waren kaum noch Polarlichter wahrzunehmen, trotzdem harrte ich aus. Ich hatte ständig ein Bild im Kopf. Irgendwann musste ich wohl mal einen Wikingerfilm gesehen haben, wo ein Schiff und Polarlichter drin vorkamen. Auf jedenfall ging mir diese Szene nicht mehr aus dem Kopf. Ich blieb dort fast 1,5 Stunden! stehen. Drückte nicht 1x den Auslöser, sondern wartete. Die anderen Beiden kamen nach der besagten Zeit  zurück und wollten wieder in unser Nachtquartier fahren. Ich sagte Ihnen, sie können schon mal ins Auto gehen, ich komme gleich nach. Keine zwei Minuten später kam unverhofft dieser Stoss mit der Grün/Roten Aurora. Es war genau das einzigste Bild, das ich in dieser Nacht, an diesem Spot geschossen hatte. Man kann es Vorahnung, Glück oder Dusel nennen, aber manchmal – nicht immer – zahlt sich ausharren, warten und die eigene Vorstellungskraft/Vision einfach aus.

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